Wochenrückblick: Mehr Aufgaben für Apotheken?

Es gibt (bald) ein neues Verhütungsgel für Männer (vielleicht), das Statistische Bundesamt hat interessante Daten über Apotheken erhoben und ein Expertenrat möchte, dass letztere mehr Aufgaben übernehmen, um das Gesundheitssystem zu entlasten.

Frankreich verbietet Werbung für hochdosiertes Ibuprofen

Die französische Arzneimittelagentur ANSM hat die Werbung für Ibuprofen-Präparate mit 400 mg des Wirkstoffs verboten, um Überdosierungen vorzubeugen. Betroffen sind alle Darreichungsformen, während Werbung für Präparate mit 200 mg weiterhin erlaubt bleibt. Hintergrund der Maßnahme ist, dass in Frankreich Werbespots für Nurofenflash 400 mg weit verbreitet sind. Das Präparat wird bei Zahnschmerzen, schmerzhaften Regelblutungen und Kopfschmerzen beworben. Die ANSM vermutet, dass solche Werbung zu einer Zunahme von Gesundheitsproblemen wie gastrointestinalen Blutungen und Nierenschäden führt.

Trotz des seit April 2024 gültigen Werbeverbots betont die ANSM, dass die Nutzen-Risiko-Bewertung von Ibuprofen 400 mg weiterhin positiv ausfalle, empfiehlt jedoch, zunächst 200 mg Ibuprofen zu verwenden. Die empfohlene Einzeldosis für Erwachsene in der Selbstmedikation liegt bei 200 bis 400 mg, maximal 1200 mg pro Tag. Zusätzlich zu dem Werbeverbot dürfen seit 2019 Ibuprofen, Paracetamol und ASS in französischen Apotheken nur noch als OTC verkauft werden. Packungsbeilagen enthalten Warnhinweise, dass nicht steroidale Antiphlogistika die Symptome bakterieller Infektionen überdecken können.

Paracetamol ist in Frankreich deutlich beliebter als Ibuprofen. 2022 wurden über 420 Millionen Schachteln Paracetamol verkauft, im Vergleich zu etwa 34 Millionen Schachteln Ibuprofen. Pierre-Olivier Variot, Präsident der französischen Apothekergewerkschaft USPO, begrüßte das Werbeverbot. Werbung für Medikamente sollte generell nicht existieren, da diese keine Konsumprodukte wie andere sind. Das Verbrauchermagazin „60 millions de consommateurs“ unterstützt diese Ansicht und stellte fest, dass das Apothekenpersonal bereits Empfehlungen für die richtige Dosis gibt.

Neues Verhütungsgel für Männer zeigt schnelle und effektive Ergebnisse

Ein hormonbasiertes Verhütungsgel für Männer hat in klinischen Studien vielversprechende Ergebnisse erzielt. Das Gel, das die Spermienproduktion innerhalb von acht Wochen deutlich reduziert, könnte eine wichtige Alternative zu bisherigen Verhütungsmethoden bieten. Es kombiniert Segesteronacetat (Nestoron) und Testosteron. Während Segesteronacetat die Hormone unterdrückt, die für die Spermienproduktion notwendig sind, sorgt Testosteron dafür, dass der Testosteronspiegel im Körper auf einem normalen Niveau bleibt. Das ist das Ergebnis einer Phase-IIb-Studie, die auf der ENDO 2024 vorgestellt wurde und an der 222 Männer teilnahmen. Sie nutzten den Angaben zufolge das Gel täglich über mindestens drei Wochen. Ziel war es, die Spermienzahl auf unter 1 Million Spermien pro Milliliter zu senken, eine Schwelle, die als wirksam für Empfängnisverhütung gilt. 86 % der Teilnehmer hätten diese Schwelle innerhalb von 15 Wochen erreicht, wobei die mediane Zeit zur Unterdrückung der Spermienproduktion weniger als acht Wochen betrug. Das Gel ermöglicht den Erkenntnissen zufolge eine schnellere Unterdrückung der Spermienproduktion als bisherige Methoden. Die tägliche Anwendung sorgt für eine kontinuierliche und gleichmäßige Hormonabgabe, was die Akzeptanz der Methode erhöht. Im Gegensatz zu injizierbaren Hormonen bietet das Gel eine einfachere und benutzerfreundlichere Alternative, da es auf die Schulterblätter aufgetragen wird. Die Studie untersuchte auch die Sicherheit und Reversibilität der Methode. Die Hormonspiegel seien im physiologischen Bereich geblieben, was für die Aufrechterhaltung normaler sexueller Funktionen entscheidend ist. Langzeitsicherheit und Reversibilität würden weiterhin analysiert.

Studie: Giftige Metalle in Tampons gefunden

Eine Studie der UC Berkeley hat gezeigt, dass Tampons giftige Metalle wie Blei, Arsen und Kadmium enthalten können. 30 Tampons von 14 verschiedenen Marken seien untersucht worden, wobei die Metallkonzentrationen je nach Herkunft, Anbauweise (biologisch oder nicht-biologisch) und Marke variiert hätten.

Das Ergebnis lässt aufhorchen, da toxische Metalle in Tampons mit gesundheitlichen Risiken wie Demenz, Unfruchtbarkeit, Diabetes und Krebs verbunden sein könnten. Die Forschenden fordern, dass Hersteller verpflichtet werden, ihre Produkte auf Metalle zu testen und besser zu kennzeichnen. Trotz der Funde sehen deutsche Experten allerdings keinen Grund, auf Tampons zu verzichten, da die gemessenen Metallwerte unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Andrea Hartwig vom Karlsruher Institut für Technologie unterstützt hingegen die Forderung nach regelmäßigen Tests auf Schwermetalle in Hygieneprodukten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung betonte die Wichtigkeit einer verantwortungsvollen Rohstoffauswahl und guter Herstellungspraxis, um die Metallkonzentrationen weiter zu senken.

Statistisches Bundesamt mit erstaunlichen Ergebnissen über Apotheken

Das Statistische Bundesamt hat für die Apotheken in Deutschland die ersten Ergebnisse des Mikrozensus herausgegeben, der 2023 unter der Bevölkerung erhoben wurde. Demnach versorgte Ende 2023 eine Apotheke im Durchschnitt 4.819 Menschen, zehn Jahre zuvor waren es noch 3.909. Da die Bevölkerung in diesem Zeitraum nur moderat zunahm, zeigt die Zahl, dass es weniger Apotheken gibt als zehn Jahre zuvor. Zudem variiert die Versorgung je nach Bundesland: In den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg mussten Apotheken überdurchschnittlich viele Menschen versorgen, während es im Saarland und in Sachsen-Anhalt weniger waren.

2023 arbeiteten etwa 214.000 Menschen in deutschen Apotheken, wobei 82,2 % Frauen waren. Apothekerinnen und Apotheker machten 27,9 % der Belegschaft aus, pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten 31,5 %, Verkäuferinnen und Verkäufer – darunter fallen dem Bundesamt zufolge vor allem die PKA – 16,8 % und Fahrerinnen und Fahrer 6,4 %.

Der Umsatz von Apotheken stieg von 2013 bis 2023 real um 34,0 %, während der Umsatz im stationären Einzelhandel nur um 9,1 % zunahm. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 gab es ein besonders hohes Umsatzplus. 2023 sank der Umsatz der Apotheken jedoch um 3,0 % im Vergleich zum Vorjahr.

AMIRA meint: „Hohes Umsatzplus“? Haben wir da was verpasst? Wir glauben, dass schon die Begriffsbildung sich zu sehr am normalen Einzelhandel orientiert („Verkäuferinnen und Verkäufer“) und die Besonderheiten der Apotheke nicht abbilden kann. Wie steht ihr zu solchen Ergebnissen? Schreibt es uns in die Kommentare!

Smartphone macht Beschwerden

Fast die Hälfte der deutschen Smartphone-Nutzer empfindet, dass sie zu viel Zeit am Handy verbringen. Eine Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte zeigt, dass 49 % der 2.000 Befragten, und sogar 84 % der unter 35-Jährigen, dies so sehen. Viele klagen über negative Folgen wie Ablenkung, Einschlafprobleme, Kopfweh und andere Schmerzen. 48 % berichten, dass ihr Smartphone-Konsum in den letzten zwölf Monaten zugenommen hat. Im Vergleich zu 2019, als 38 % angaben, zu viel Zeit am Smartphone zu verbringen, ist diese Zahl deutlich gestiegen. Insgesamt 56 % der Befragten beobachteten negative Nebenwirkungen durch ihren Smartphone-Gebrauch. 70 % versuchen, ihre Nutzung zu reduzieren, während nur 3 % sich ein Leben ohne Smartphone vorstellen können.

AMRIA meint: Vielleicht sollte man Menschen, die mit dem Wunsch nach Schmerztabletten vor einem stehen, einfach mal raten, auch mal das Smartphone zur Seite zu legen.

Falls du selbst betroffen sein solltest: Hier haben wir ein paar Tipps zusammengestellt, wie dein individuelles Digital Detox, deine digitale Entgiftung, gelingen kann. 

Studie zeigt große Zustimmung zu e-Rezept und e-Patientenakte

Das Gesundheitswesen steht vor der durchgreifenden Digitalisierung. Wie diese bei der Bevölkerung ankommt, zeigte diese Woche eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Demnach wollen 71 % der Deutschen die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Skeptisch sind 26 %, wobei die Ablehnung im letzten Jahr bei 37 % lag. Die ePA, die ab 2025 für alle Kassenpatienten verpflichtend wird (es sei denn, sie widersprechen), ermöglicht die Speicherung von Gesundheitsdaten wie Arztbriefen und Röntgenbildern, um den Austausch zwischen Ärzten und Apotheken zu erleichtern.

Die meisten Befragten sehen Vorteile wie den einfachen Zugriff für alle behandelnden Ärzte (89 %) und mehr Sicherheit durch abgestimmte Medikationspläne (77 %). Skeptiker sorgen sich um Datenschutz (59 %) und fühlen sich schlecht informiert (50 %). Zwei Drittel der Befragten befürworten die Nutzung anonymisierter ePA-Daten für die Forschung.

Das E-Rezept ist bereits sehr bekannt (98 %) und wird von 77 % der Befragten genutzt, wobei 83 % reibungslose Erfahrungen berichten. Die meisten nutzen dafür die Gesundheitskarte (54 %), weniger das Smartphone (20 %) oder digitale Plattformen (8 %).

Bitkom und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sehen die Umfrageergebnisse als Rückenwind für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Bitkom fordert mehr Kompetenz im Umgang mit digitalen Gesundheitstechnologien, während der GKV auf die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen für die ePA-Einführung hinweist.

ADEXA im Gespräch mit Lauterbach

Ende letzter Woche diskutierte ADEXA-Vorstand Andreas May direkt mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach über die Positionen und Vorschläge der Apothekengewerkschaft. ADEXA fordert eine Überarbeitung des Referentenentwurfs des Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) und hat dazu eine detaillierte Stellungnahme eingereicht. Im Gespräch mit Lauterbach betonte May die Notwendigkeit einer gesetzlichen Personalzulage auf das Fixum für Rx-Arzneimittel, um angemessene Gehälter und Ausbildungsvergütungen zu sichern.

May erklärte, dass angesichts des Fachkräftemangels attraktive Arbeitsbedingungen essenziell seien, um engagierte Mitarbeiter zu motivieren. Zudem präsentierte ADEXA Pläne für eine Reform der PTA-Ausbildung, die eine zusätzliche akademische Komponente umfasst, um den Beruf attraktiver zu machen.

May dankte Minister Lauterbach für das konstruktive Gespräch und hofft, dass die Vorschläge von ADEXA in die Reform einfließen. Änderungen am Gesetz seien entscheidend für eine zukunftsorientierte Apothekenlandschaft und sichere Arbeitsplätze.

Expertenrat: Mehr Aufgaben für Apotheken?

Das deutsche Gesundheitssystem ist laut dem Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ nicht gut auf zukünftige Krisen vorbereitet, obwohl hohe Investitionen getätigt werden. Gründe dafür sind die alternde Bevölkerung, der bevorstehende Ruhestand von 30 % der Fachkräfte und zunehmende gesundheitliche Ungleichheiten. Der aus 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehende Rat empfiehlt eine effizientere und krisenfestere Gestaltung des Systems. Um die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems zu sichern, fordert der Rat eine vorausschauende Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft. Wissenschaftliche Politikberatung ist essenziell, um Expertise aufzubauen und in Krisenzeiten schnell reagieren zu können.

Für Apotheken besonders interessant: Der Expertenrat betont die Notwendigkeit, Innovationen nicht nur in Form neuer Medikamente, sondern auch durch strukturelle Veränderungen voranzutreiben. Dies schließt die Übernahme von Aufgaben durch nicht-ärztliche Berufsgruppen und die Umgestaltung der Krankenhausversorgung ein.

AMIRA meint: Wer sollte eigentlich besser als unsere Apotheke vor Ort dazu geeignet sein, Aufgaben von Ärzten ohne Qualitätsverlust zu übernehmen? Also, liebe ABDA und alle anderen: Macht euch diese Argumentation zu eigen und dringt darauf, mehr Aufgaben übernehmen zu können. Blutdruckmessen kann doch nicht alles sein… Wie seht ihr das? Und was könnten Apotheken eurer Ansicht nach noch übernehmen, um Arztpraxen zu entlasten? Wir machen mal einen Vorschlag: Blutabnehmen für kleines oder großes Blutbild – kann man das nicht auch in der Apotheke leisten, natürlich nach zertifizierter Weiterbildung, Stichwort „Spritzenschein“? Die im Labor erhobenen Daten werden dann mittels e-Gesundheitsakte dem behandelnden Arzt zur Verfügung gestellt.