Wochenrückblick: Krankenhausreform steht, ABDA sucht Gespräch und Lebenserwartung steigt
Diesmal im Wochenrückblick: Krankenhausreform beschlossen, Apotheker sehen das Scheitern der Lauterbach-Reformen als Erfolg, der potenzielle Gematik-Nachfolger erntet Kritik und die Lebenserwartung steigt nach Corona wieder.
Krankenhausreform in Deutschland beschlossen
Am Freitag verabschiedete der Bundesrat die umstrittene Krankenhausreform der Ampel-Koalition. Die Reform soll die Kliniklandschaft in Deutschland grundlegend verändern und den finanziellen Druck auf die 1.700 Krankenhäuser senken. Zukünftig wird ein neues Vergütungssystem eingeführt: 60 % der Gelder sollen Kliniken allein für das Vorhalten bestimmter Angebote erhalten. Ziel ist eine bessere Qualität und Spezialisierung, während kleinere Landkrankenhäuser ihre Kernkompetenzen sichern sollen.
Die Umsetzung der Reform beginnt ab 2025 und erstreckt sich bis 2029. Konflikte gab es im Vorfeld: Einige Länder wie Thüringen und Brandenburg gerieten intern in Streit über ihr Abstimmungsverhalten, infolge dessen wurde die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) entlassen. Während Lauterbach die Reform als wegweisend lobte, äußerten sich Klinikvertreter und Patientenverbände geteilt. Universitätskliniken und Krankenkassen begrüßen die geplante Verbesserung der Qualität und Effizienz, während Kritiker befürchten, dass strukturschwache Regionen weiter benachteiligt werden. Der Gesetzesentwurf gilt als Grundstein für künftige Verbesserungen, doch seine langfristigen Auswirkungen sind noch unklar.
Apothekenpolitik: Christiansen kritisiert Lauterbach und fordert Stabilisierung
Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, sieht das Scheitern von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Reformplänen als berufspolitischen Erfolg der Apothekerschaft. Maßgeblich dazu beigetragen hätten die landesweiten Apothekenproteste, zahlreiche politische Gespräche vor Ort sowie unzählige Briefe an Abgeordnete. Dennoch kritisierte Christiansen auf der jüngsten Kammerversammlung, dass in Deutschland das Scheitern eines Gesetzes bereits als Erfolg gefeiert werde. Die gescheiterte Reform habe den Apothekerberuf vor drastischen Einschnitten wie der Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots bewahrt. Doch mit 1.300 Apothekenschließungen unter Lauterbachs Amtszeit bleibe die Lage alarmierend. Jede Schließung reiße eine Lücke im Versorgungsnetz. Bis zur nächsten Regierung drohten weitere Verluste.
Christiansen betonte, dass die Stabilisierung der Apotheken nicht bis zu den Neuwahlen 2025 warten könne. Es brauche dringend einen neuen Gesetzesentwurf, um das Apothekensterben zu stoppen. Gleichzeitig forderte er die Politik auf, endlich in einen konstruktiven Dialog zu treten. Die Einführung des E-Rezepts und pharmazeutische Dienstleistungen sieht er als Chancen, die Rolle der Vor-Ort-Apotheke zu stärken. Jedoch müsse die Politik bürokratische Hürden abbauen, um Apotheken wirtschaftlich zu entlasten.
AMIRA fragt: 1.300 Apothekenschließungen in etwas mehr als drei Jahren – wo werden wir in fünf Jahren sein? Wagt ihr eine Prognose?
Trotz verheerender Bilanz: ABDA sucht Gespräch mit den Grünen
Rund eineinhalb Wochen nach dem Ende der Ampel-Koalition trafen sich die Grünen am letzten Wochenende zur Bundesdelegiertenkonferenz in Wiesbaden, begleitet von intensiven Gesprächen über die Situation der Apotheken. Die ABDA nutzte nach eigenen Angaben gemeinsam mit der Landesapothekerkammer und dem Apothekerverband Hessen einen Parteitagsstand, um auf Herausforderungen der Branche aufmerksam zu machen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening habe einmal mehr darauf hingewiesen, dass Apotheken keine Zeit für politische Krisen hätten, da sie wirtschaftlich stark unter Druck stünden. Sie habe ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der finanziellen Lage gefordert und angeregt, Apotheken stärker in die Primärversorgung und Prävention einzubinden, insbesondere angesichts des demografischen Wandels.
Overwiening habe unter anderem Gespräche mit der Grünen-Gesundheitspolitikerin Dr. Paula Piechotta geführt. Auch andere Spitzenpolitiker wie Robert Habeck, Felix Banaszak, Franziska Brantner und sowie Gesundheitsausschussmitglieder seien vor Ort gewesen. Besonders Themen wie Apothekenhonorierung, Lieferengpässe und Bürokratie hätten im Mittelpunkt gestanden. Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands, habe auf die massenhafte Schließung von Apotheken unter der Ampelkoalition verwiesen und auf weitere ungelöste Probleme in der Arzneimittelversorgung. Die ABDA will den Dialog mit allen Fraktionen aufrechterhalten, vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf.
Gematik-Nachfolger in der Kritik
Die geplante Struktur der neuen Digitalagentur im Gesundheitswesen, die die gematik ablösen soll, stößt auf Kritik. Während einer Anhörung des Gesundheitsausschusses warnte ABDA-Präsidentin Overwiening vor der Dominanz des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), das durch den Gesetzentwurf des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes (GDAG) seine Machtposition weiter ausbauen würde. Mit seiner Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent könne das BMG Aufgaben der Digitalagentur willkürlich erweitern und zugleich als Gesellschafter, Regulierer und Aufsichtsinstanz agieren. Overwiening plädierte für eine stärkere parlamentarische Kontrolle und die Einbindung des Bundesrats.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) äußerte Bedenken. Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidungsstrukturen des GDAG nicht alle Betroffenen ausreichend einbinden würden. Kritisch sehe sie zudem die fehlende gesetzliche Verpflichtung, digitale Anwendungen vor ihrem bundesweiten Einsatz umfassend zu testen und die Einschränkungen bei der Terminvergabe für Ärztinnen und Ärzte. Positiv bewerte die BÄK jedoch die Einführung einer transparenten jährlichen Roadmap und die Festlegung von Standards zur Benutzerfreundlichkeit.
Größenänderung bei Vumerity-Kapseln
Die magensaftresistenten Hartkapseln des Arzneimittels Vumerity™ (231 mg, Wirkstoff Diroximel fumarat) haben eine Galenikänderung erfahren. Laut Hersteller Biogen GmbH sind die Kapseln nun etwa 22 mm lang, im Vergleich zu den vorherigen 18 mm.
Orthopädische Hilfsmittel direkt über die App
Versicherte von sieben gesetzlichen Krankenkassen können ab sofort elektronische Verordnungen (eVerordnungen) für orthopädische Hilfsmittel direkt über die Apps ihrer Krankenkasse erhalten und an Sanitätshäuser oder Anbieter weiterleiten. An dem Pilotprojekt beteiligen sich die AOK Bayern, BARMER, BIG direkt gesund, DAK-Gesundheit, HEK, IKK classic und die Techniker Krankenkasse. Ziel sei es, den gesamten Prozess von der ärztlichen Verschreibung bis zur Abrechnung papierlos abzubilden und perspektivisch auf weitere Hilfsmittelgruppen auszuweiten.
Über 34 Millionen Versicherte könnten profitieren, da die eVerordnung in die Praxisverwaltungssoftware integriert wurde und automatische Prüflogiken Fehler reduzieren. Die digitale Lösung soll Zeit sparen und Rückfragen bei fehlerhaften Angaben minimieren. Versicherte hätten jederzeit Einblick in den Bearbeitungsstatus und könnten die Verordnung nicht verlieren. Das Projekt dient als Testlauf für die ab 2027 geplante verpflichtende Einführung von eVerordnungen.
Erholung der Lebenserwartung nach Corona-Einbruch
Nach der pandemiebedingten Senkung ist die Lebenserwartung in Deutschland 2023 erstmals in allen Bundesländern wieder gestiegen. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) dokumentiert eine durchschnittliche Steigerung um 0,4 Jahre: Frauen erreichen nun 83,3 Jahre, Männer 78,6 Jahre.
Trotz der Erholung liegt die Lebenserwartung noch leicht unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019 - bei Frauen um 0,3 Jahre, bei Männern um 0,2 Jahre. Dabei zeigen sich deutliche regionale Unterschiede:
- Spitzenreiter Baden-Württemberg: Frauen 84,2 Jahre, Männer 80,1 Jahre
- Erstmals überschreitet ein Bundesland bei Männern die 80-Jahre-Marke
- Am unteren Ende: Sachsen-Anhalt bei Männern, Bremen und Saarland bei Frauen
Die Ursachen für diese Unterschiede sind vielfältig und eng mit der jeweiligen sozioökonomischen Situation verknüpft, schreibt das Institut. Auch die Apothekenspitzelin hatte sich über diese Zusammenhänge schon einmal Gedanken gemacht.
AMIRA fragt: Habt ihr eine Erklärung dafür, warum in Baden-Württemberg die längste Lebenserwartung zu sehen ist? Und warum leben Männer eigentlich so viele Jahre kürzer?