Schon wieder ein Schulpraktikum
Wenn Schulpraktika zur Belastungsprobe werden, hilft nur Humor – und die Hoffnung auf Nachwuchs. Eine Kolumne über Alltagschaos, stille Heldinnen und die Chance, junge Menschen für die Apotheke zu begeistern.
Chef sagt Ja – wir sagen Hilfe!
Die Offizin steht wieder einmal voller Kunden, und im Backoffice teilen sich zwei Kolleginnen den Wareneingang untereinander auf. Draußen nieselt es. In der Ecke sitzt Svenja, PKA mit trockenem Humor und bewährter Effizienz, in der Hand die Tasse mit ihrem lauwarmen Kaffee vom Morgen – es war wieder einmal zu wenig Zeit, um ihn heiß zu genießen. Sie schüttet sich trotzdem noch einen Rest Milch in die Tasse. Sarah, PTA und meist die Stimme der Vernunft, sitzt am PC und gibt die Rechnungsdaten ein.
„Rate mal, was Chef gerade beschlossen hat“, beginnt Svenja ihren Satz, ohne aufzublicken. Sarah seufzt. „Nicht dein Ernst, oder?. Wieder ein Schülerpraktikum?“
„Doch, du bist gut! Nächste Woche. Und, Überraschung: Ich darf mich kümmern.“
„Super Timing. Ist ja nicht so, dass wir noch die Inventur, zwei Leute im Urlaub und drei Termine zum Kompressionsstrumpf-Ausmessen haben.“ „Danke! Endlich jemand, der’s ausspricht.“
Svenja lehnt sich zurück und nimmt einen kräftigen Schluck kalten Kaffee. „Chef meinte, die kann mir bei der Inventur zur Hand gehen. Weißt du, wie oft ich bei diesen Praktikanten alles doppelt mache? Ich geb‘ denen die Liste mit Pipetten und Kruken, und was ihr nicht noch alles so bei euch benutzt, und eine Stunde später renn ich doch wieder selbst durch den Keller, weil sie nicht wissen, wo Glas, Kunststoff und PE stehen. Oder wie man aus einer Chargennummer den Verfall rausliest.“ Sarah grinst. „Ans Telefon geht eh keiner, oder?“ „Als ob. Die würden auch eher die Notdienstglocke abmontieren, als einem Kunden im Rollstuhl mal die Rampe freiwillig an die Treppenstufe zu stellen. Alles muss man immer sagen, nichts wird einfach mal so gesehen.“
Zwischen Scannerpiepsen und Bonbons zählen
Es ist ein typisches Backoffice-Gespräch – zwischen genervt und resigniert, irgendwo zwischen Rechnungsordnern und Scanner. Svenja schaut in ihre Tasse. „Und Chef? Der nickt solche Anfragen immer ab wie Prominente ihre Autogrammwünsche. Ob jemand von uns Urlaub hat, oder ob wir hier anderweitig Land unter haben – völlig egal. Hauptsache, die Mutter hat nett gefragt.“
Sarah hebt eine Augenbraue. „Die Mutter?“
„Ja. Die Schülerin selbst? Fehlanzeige. Ich wette, die Apotheke war wieder Plan C. Nach Tierarztpraxis, Kindergarten und irgendwas mit Marketing.“
Einen Moment lang herrscht Stille. Nur das Surren des Kühlschranks begleitet das Piepsen des Warenscanners. Dann sagt Sarah leise: „Aber weißt du … wenn wir nicht zeigen, wie unser Beruf wirklich ist, woher soll denn jemand wissen, wie wichtig wir als Apotheke vor Ort sind? Vielleicht hat ja wenigstens einer von zehn die sich hierher verirren wirklich Interesse.“ Svenja schnaubt verächtlich. „Und was ist mit den anderen neun?“
„Na, denen zeigen wir eben, dass Apotheke mehr ist als Bonbons zählen und Preise kleben.“
Wie aus einem Pflichtpraktikum ein echtes Erlebnis werden kann
Ein kurzer Blick. Dann ein Seufzen. „Na gut“, murmelt Svenja. „Dann such du der Schülerin aber wenigstens eine halbwegs coole Rezeptur raus. Irgendwas mit Shea und Panthenol, sowas wie ihr mal als Weihnachtsgeschenke für gute Kunden hergestellt habt vor zwei Jahren. Das fand ich ganz originell. Verpackt in einer Tube, nicht nur in einer Kruke. Dann hat sie was für zuhause. Und kann dabei mal sehen, wie man eine halbfeste Grundlage ordentlich von der Pike auf selbst herstellt. Da sieht sie mal, was da für eine Arbeit dahintersteckt.“
„Perfekt“, sagt Sarah. „Und du zeigst ihr vielleicht mal den ganzen Dekokram im Keller. Den kann sie sortieren und ein Schaufenster anschließend einmal ganz alleine so gestalten, wie ihr das gefällt. Wäre natürlich trotzdem gut, wenn du ein Auge darauf hast, damit das kein komplettes Desaster gibt. Deal?” „Deal.“ Sie grinsen sich an. Für den Rest der Woche würden sie sich schon was einfallen lassen. Vielleicht ein Blick durchs Mikroskop. Vielleicht auch ein Übungsrezept mit Fantasiepräparat. Hauptsache, die junge Besucherin nimmt am Ende mehr mit als eine Tüte Gummibärchen.
Ein Hauch Hoffnung
Manchmal ist der Alltag voll, die Nerven dünn und die Lust auf zusätzliche Betreuung gering. Aber vielleicht steckt in jedem Schulpraktikum auch die Chance, dass ein Funke überspringt – und jemand merkt, wie vielfältig, verantwortungsvoll und überraschend spannend Apothekenarbeit sein kann. Und wenn’s nur die Frage ist, wie man eine Salbe ordentlich in eine Tube bekommt – dann war die ganze zusätzliche Arbeit immerhin nicht umsonst.