Wochenrückblick: Forderungskatalog der ABDA, Antwort zum BioNTech Umzug nach England und Pseudoephedrin auf dem Prüfstand

Die Woche im Rückspiegel zeigt zehn Forderungen der ABDA zur Sicherung der Apothekenzukunft, Skepsis gegenüber gegenderten Pflichthinweisen sowie Risiken bei Erkältungsmitteln mit Pseudoephedrin.

ABDA stellt Forderungskatalog auf

Am Dienstag beschloss der Gesamtvorstand der ABDA einen Katalog mit vorrangigen Forderungen der Apothekerschaft. Einteilen lassen sie sich in drei Blöcke: Mehr Geld, mehr Handlungsfreiheit, weniger Bürokratie. Die Forderungen im Einzelnen:

  1. Das Fixum der Arzneimittelpreisverordnung soll von derzeit 8,35 Euro netto auf 12 Euro steigen.
  2. Das Fixum soll durch einen „regelhaften Mechanismus“ jährlich angepasst werden.
  3. Einführung einer regelmäßigen Pauschale für jede Betriebsstätte, die der Grundsicherung in der Fläche dienen soll.
  4. Mehr Handlungsfreiheit für Apotheken bei Lieferengpässen, damit die Patientenversorgung gewahrt bleibt.
  5. Reduzierung von Retaxationsverfahren auf ein sachlich gebotenes Maß.
  6. Engpass-Ausgleich für den zusätzlichen Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen.
  7. Rückgabe des Herstellerrabatts durch die Krankenkassen, falls der Hersteller zahlungsunfähig wird.
  8. Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Arzt-Apotheker-Kooperation beim Mediakationsmanagement.
  9. Einschränkung des Präqualifizierungsverfahrens, wenn die Leistungsfähigkeit der Apotheke bereits auf andere Weise sichergestellt wurde.
  10. Abbau von bürokratischen Maßnahmen, deren Zwecke bereits auf anderem Wege erfüllt wurden.  

Mehrheit der Bürger lehnt gegenderten Nebenwirkungshinweis ab

Vor einigen Wochen berichteten wir von einer Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, den  laut Heilmittelwerbegesetz verpflichtenden Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“ zu gendern. Eine neue Version des Hinweises hatten noch im Dezember auch die Bundesärztekammer und die ABDA gefordert. Nach dem Wunsch des Ministeriums soll er künftig so lauten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke.“ Abgesehen von der Frage, warum den Apotheken angesichts eines deutlichen Frauenübergewichts beim Personal die Ehre des Genderns nicht zuteilwird, stellt sich jene, was eigentlich die Bürger dazu sagen. Genau dazu hatte das Webportal web.de beim Meinungsforschungsinstitut Civey eine Umfrage in Auftrag gegeben. Befragt wurden mehr als 5.000 Bundesbürger über 18 Jahren. Ergebnis: 63 Prozent der Befragten finden die Pläne für eine gegenderte Version falsch. 18 Prozent sind indifferent, kaum ein Fünftel befürwortet die Anpassung. Die höchste Zustimmung erreichte der gegenderte Vorschlag bei Anhängern der Grünen (47 Prozent), die geringste bei denen der AfD (8 Prozent). Zustimmung und Ablehnung verteilten sich über die Alterskohorten recht ähnlich, auch zwischen Männern und Frauen ergaben sich eher geringe Unterschiede. So hielten 66 Prozent der befragten Männer den Genderplan für eher falsch, aber eben auch 59 Prozent der befragten Frauen. AMIRA hat schon jetzt den neuen, beschleunigt gesprochenen Hinweis am Ende der zahlreichen OTC-Spots vor „heute“ und „Tagesschau“ im Ohr…

ABDA und KBV bekriegen sich…

… über die Frage, ob der im Zuge der Pandemie ermöglichte erleichterte Austausch von verordneten Medikamenten bei Lieferengpässen weiterhin möglich sein soll. Dieser dürfe nur in Ausnahmefällen erlaubt sein, äußerte die KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) in einer Stellungnahme zum jüngst vorgelegten Referentenentwurf für ein Lieferengpassgesetz. Gegen einen erleichterten Austausch sei nur dann nichts einzuwenden, wenn das Medikament auf der noch zu schaffenden Engpassliste des BfRaM stehe. Außerdem verlangte die ärztliche Standesorganisation, dass die Apotheke die Praxis über den Austausch informieren solle. Nur so sei die Sicherheit der Medikation garantiert. Die ABDA konterte per Twitter und sprach von einem „Verstolperer“: Der Ärzteverband habe nicht bedacht, dass bei einer solchen Informationspflicht das Telefon in den Arztpraxen nicht mehr stillstehe. Prima finden die Ärztevertreter hingegen, dass Apotheken für den Austausch-bedingten Mehraufwand vergütet werden: Dies fordern sie, sollte die von ihnen geforderte Benachrichtigungspflicht kommen, auch für die Praxen.

Wie Migräne und Menstruation zusammenhängen

Frauen sind generell häufiger von Kopfschmerzen betroffen als Männer. Besonders auffällig ist jedoch, dass sehr viele Kopfschmerzattacken kurz vor oder während der Menstruation auftreten und die Häufigkeit der Schmerzen nach den Wechseljahren sinkt. Die Vermutung, dass neben Neurotransmittern auch Sexualhormone eine Rolle spielen, liegt daher nahe. Bei einer Kopfschmerzattacke wird CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) aus den Nervenendigungen im Gehirn freigesetzt und verursacht eine Vasodilatation naheliegender Blutgefäße. Da aus dem Tiermodell bekannt ist, dass Schwankungen von weiblichen Hormonen zur verstärkten Freisetzung von CGRP im Gehirn führen, hat ein Team von der Berliner Charité nun 90 Frauen mit und 90 Frauen ohne Migräne untersucht, wovon jeweils ein Drittel einen regelmäßigen Zyklus haben, orale Kontrazeptiva einnehmen oder sich in der Postmenopause befinden. Dazu wurde bei allen die CGRP-Spiegel bestimmt. Bei Frauen mit Migräne und regelmäßigem Zyklus fand man deutlich höhere CGRP-Spiegel als bei den anderen. Vor allem der Abfall des Östrogenspiegels kurz vor der Menstruation steht mit diesem in Verbindung. Aus diesem Ergebnis ergibt sich die Frage, ob CGRP-Inhibitoren bei verschiedenen hormonellen Zuständen verschiedene Wirkungen verursachen und man Medikamente zyklusabhängig verabreichen sollte. Neue Studien sollen dieser Frage auf den Grund gehen.

Falsch geladene Proteine als Ursache seltener Erkrankungen identifiziert

Am 28. Februar war Tag der seltenen Erkrankungen, wir berichteten. Wie selten manche Krankheiten sind, ist kaum zu glauben: So sind von der Brachyphalangie-Polydaktylie und tibialen Aplasie/Hypoplasie (BPTA) die sich durch schwere Fehlbildungen der Gliedmaßen, Knochen oder Organe zeigen, weltweilt weniger als zehn Fälle bekannt. Jetzt gibt es wichtige neue Erkenntnis zu dieser Erkrankung: Falsch geladene Proteine bringen infolge von Genmutationen die Selbstorganisation der Zelle durcheinander und bewirken Entwicklungsstörungen. Bei Erkrankten wurde das sogenannte HMGB1-Protein identifiziert, welches mit der Entstehung von Tumoren zusammenhängen könnte. Bei Erkrankten ist das letzte Drittel des Proteins durch Mutationen verschoben und positiv (nicht wie eigentlich negativ) geladen, was dazu führt, dass das Protein sich in der Zelle am falschen Ort befindet und verklumpt. Dadurch sterben mehr Zellen innerhalb der Kultur ab und die Entwicklung des Organismus wird beeinträchtigt. Interessant ist nun: Andere und häufigere genetisch bedingte Erkrankungen könnten ebenfalls durch die mutationsbedingte Verschiebung eines Proteins ausgelöst werden, was man bisher in der Forschung so nicht wusste. Damit diese Erkenntnis neue therapeutische Ansätze liefert, ist jedoch noch viel Forschung erforderlich.

Nachtrag: Bundesregierung antwortet auf Anfrage zum BioNTech Umzug nach England

Vor einigen Wochen schreckte die Meldung, dass BioNTech seine mRNA-basierte Krebsforschung nach England verlegen werde, die CDU-Fraktion im Bundestag auf, worüber wir berichtet hatten. Die Abgeordneten stellten der Regierung 14 Fragen, die sich mehrheitlich darum drehten, wie die Bundesregierung die mRNA-Forschung in Deutschland fördert oder zu fördern gedenke. Die Antworten auf diese kleine Anfrage liegen seit dieser Woche vor. Äußerst nüchtern heißt es darin: „Die Bundesregierung nimmt die unternehmerische Entscheidung von BioNTech für eine Partnerschaft mit der Regierung des Vereinigten Königreiches zur Kenntnis.“ Zur Frage, ob die Regierung im Vorfeld mit BioNTech über den bevorstehenden Wechsel nach England gesprochen habe, sagt die Regierung: „Nach den vorliegenden Informationen hat am 24. Januar 2023 ein Gespräch in elektronischer Form des Staatssekretärs Dr. Jörg Kukies vom Bundeskanzleramt mit Herrn Sean Marett von BioNTech stattgefunden.“ Über Inhalte könne nichts mitgeteilt werden, da diese – was üblich sei – nicht protokolliert wurden. In der Folge verweist die Antwort recht kleinteilig auf vielfältige Initiativen und Forschungsprogramme zur mRNA-basierten Bekämpfung von Krebs und seltener Krankheiten, die von der Regierung teils mit dreistelligen Millionenbeträgen gefördert würden. Ausführlich referiert werden die Pläne der Regierung in Bezug auf die Nutzung von Patientendaten, die für die genom-orientierte personalisierte Medizin unerlässlich sei: Man wolle deshalb „die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke im Gesundheitswesen und für klinische Studien (zu) konkretisieren und Rechtsunsicherheiten sowie bürokratische Hemmnisse (zu) beseitigen.

EMA will Pseudoephedrin auf Risiken überprüfen

Pseudoephedrin, ein Wirkstoff, der in Erkältungsmitteln wie Aspirin Complex oder Grippostad Complex enthalten ist, wird verdächtigt, die Durchblutung im Gehirn zu verringern. Der Wirkstoff kann möglicherweise das Risiko für das posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom (PRES) und das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) erhöhen. Bei beiden sind zusammen mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Krampfanfällen auch lebensbedrohliche Ischämien möglich. Bekannt war, dass bei Einnahme von Pseudoephedrin das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt erhöht ist. In den Produktinformationen der Arzneimittel sind entsprechende Einschränkungen und Warnhinweise zur Risikoverminderung enthalten.

Weil in Fachliteratur und Datenbanken einige Fälle von PRES und RCVS bei Menschen verzeichnet wurden, die pseudoephedrinhaltige Mittel einnahmen, will die Europäische Arzneimittelagentur EMA den Wirkstoff nun überprüfen. Auf dieser Basis wird dann entschieden, ob Zulassungen für pseudoephedrinhaltige Mittel geändert oder gar widerrufen werden sollen.

Pseudoephedrin fördert die Freisetzung von Noradrenalin an den Nervenendigungen, was wiederum zu einer Verengung von Blutgefäßen in den Schleimhäuten führt. Deren Schwellung verringert sich, es wird weniger Schleim produziert, die Beschwerden bei Schnupfen klingen ab.

Frankreich hat wegen der Bedenken schon 2020 risikovermindernde Maßnahmen. So sollen Apotheker sollten bei Verkauf der Mittel ein Informationsblatt aushändigen, das über Gebrauch und Risiken von Vasokonstriktoren informiert und erkälteten Patienten weitere Gesundheitstipps gibt.