Unbefriedigte Kondom-Kunden

Nicht immer wollen Kunden zu Kondomen beraten werden, manche hingegen wünschen sich einen Vortrag dazu. Machos, Angeber und Spinner am HV-Tisch – unsere Apothekenspitzel:in berichtet von ihren Erlebnissen.

„Gefühlsecht“, „Perfect fit“, „Longtime“, „Intens“ – Sorten für Kondome gibt es viele. In den Apotheken gibt es häufig eine überschaubare Auswahl, denn meistens werden für den Kauf Drogerien oder Online-Shops bevorzugt. Und in der Offizin hat man die Verhüterli einfach da, weil sie zum guten Ton bzw. den apothekenüblichen Waren gehören. Dennoch muss man auch ehrlich sagen: Wir sind kein Erotikshop, unser Schwerpunkt liegt woanders.

Wenn Männer meckern

Hin und wieder kommt es vor, dass Kunden unzufrieden mit unserem Lagerbestand oder unserer Beratung sind. Ich habe das schon in verschiedenen Apotheken erlebt. Vielleicht hast du die ein oder andere Aussage auch mal gehört:

Ihre Auswahl an Parisern ist wirklich bescheiden!

Nach was schmeckt diese Sorte?

Werden die Kondome in Deutschland hergestellt?

Haben Sie keine XXL-Größen da? Diese Standardgröße ist mir zu klein.

Haben Sie keine längeren Kondome da?!

Ach ja, die Größe… Wenn Männer mit „ihrer“ Ausstattung angeben, entgegne ich oft: Es kommt auf die Breite an! Dann schauen sie mich erstmal fassungslos an und denken im zweiten Moment, dass ich einen Witz mache. Doch nein, ich meine es immer ernst. Denn damit das Kondom nicht platzt oder verrutscht, muss es die optimale Passform haben, in den Längen unterscheiden sich die Kondome meist nicht. Tatsächlich gilt: die Breite macht´s.

Wie ich zur Kondom-Expertin wurde

Prinzipiell habe ich seit Anfang meiner Berufslaufbahn immer zu allem beraten, natürlich hat jede:r wie immer auch Lieblingsthemen, zu denen man gerne berät. Vor Kondomen habe ich nie eine Scheu gehabt, ich habe die (häufig SEHR selbstbewussten) Männer immer mit erhobenem Haupt beraten. Manche Kolleginnen hingegen wollten nur ungern über Kondome informieren. Immer wenn einer reinkam und eine spezielle Frage hatte, haben sie nett gefragt, ob ich nicht übernehmen könne. So hatte ich mir nach einer Zeit einen Namen (unsere „Kondom-Fachberaterin“) im Team gemacht.

Für alle, die „mehr“ wollen

Wer mehr weiß, punktet in der Regel auch bei den Kunden. Deshalb habe ich dir ein paar Hintergrundinfos und Fakten zusammengestellt, die dir vielleicht mal weiterhelfen könnten:

  • Seit wann es Kondome oder ähnliche Hilfsmittel gibt, ist nicht ganz klar. Allerdings kamen in der frühen Neuzeit ab dem 15 Jahrhundert, zunächst im Adel, Kondome aus Schafsdarm oder anderen tierischen Membranen auf. Grund: Schutz vor Syphilis und – natürlich – Verhütung.
  • Als es Charles Goodyear gelang, durch sein Vulkanisationsverfahren Gummi in elastisches Latex zu verwandeln, setzten sich Kondome allgemein durch, wurden aber von konservativen Kreisen aus Angst vor Sittenverfall bekämpft.
  • Mit AIDS erlebten Kondome eine Renaissance.
  • Kondome sind normiert nach der internationalen Norm EN ISO 4074. Sie müssen mindestens 16 cm lang sein und im aufgeblasenen Zustand ein bestimmtes Mindestvolumen erreichen.
  • Gängig sind Kondome mit 52 bis 54 mm Breite.
  • Es gibt verschiedene Hersteller, die auch kleinere oder größere Maße anbieten (z. B. gibt es Kondome von Mister Size und MY.SIZE in sieben Größen: 47, 49, 53, 57, 60, 64, 69).
  • Die kleinste auf dem europäischen Markt verfügbare Kondomgröße ist 47.
  • Auf der Website von MY.SIZE kann man ein PDF-Maßband herunterladen und damit die optimale Größe ermitteln.
  • Kondome haben einen Pearl-Index von 2 bis 12. Zu den häufigsten Gründen der Falschanwendung gehören falsche Größe, abgelaufenes Verfallsdatum, falsches Gleitgel und nach dem missglückten Überziehen kein neues Kondom zu verwenden.
  • Jedes in Deutschland auf dem Markt erhältliche Kondom wird einzeln elektronisch auf Dichtheit überprüft

 

Und wenn tatsächlich auch bei dir mal einer auftaucht, der großspurig tönt, dass ihm einfach keines eurer Produkte – sei es in anatomischer, taktiler oder sensorischer Hinsicht – passt und deshalb haltlos wettert, dem reib` doch einfach was unter die Nase wie: „Sie sind hier falsch. Ich glaube, den Bedürfnissen Ihrer Anatomie können Sie nur mit einer handwerklichen Arbeit auf Schafsdarmbasis gerecht werden…“ Wahrscheinlich wirst du dann auf Umsatz im einstelligen Euro-Bereich verzichten müssen. Aber hey, so wie der sich darstellte, wollte er ohnehin kein Stammkunde bei euch werden…

AMIRA fragt: Wie ist das bei euch? Werden Kondome gekauft? Sind die Kunden ausschließlich Männer? Und wird frank und frei nachgefragt oder eher verschämt? Und könnt ihr euch an Kunden erinnern, die die Beratung zur Selbstdarstellung genutzt haben? Wir sind gespannt.