Keiner will seinen Job machen

Arbeitsverdichtung, Personalmangel und bürokratische Hürden sind branchenübergreifend ein Dauerthema. Keiner will mehr seinen Job machen, beobachtet unsere Apothekenspitzel:in. Woran kann das liegen?

Steuern wir auf eine mittlere Katastrophe zu? Arbeit lohnt sich nicht mehr, heißt es immer wieder. Und diejenigen, die noch arbeiten, sind mehr oder weniger unzufrieden mit ihrer Arbeit bzw. mit den Rahmenbedingungen. Generell höre ich viel Gejammere, manche meckern sich die Welt schön. Ist denn die aktuelle Arbeitswelt wirklich so schlimm oder ist es ein Zufall, dass ich in meinem Umkreis so viel Unzufriedenheit mitbekomme?

Insbesondere von PTA höre und lese ich das häufig: Wie komme ich in die Pharmaindustrie bzw. in den Außendienst? Wer arbeitet bei einer Krankenkasse und kann mir Tipps geben? Und so weiter... Nicht wenige wollen der öffentlichen Apotheke den Rücken kehren. Es macht einfach keinen Spaß mehr wie früher, heißt es oft. Was viele aber vergessen: Woanders ist es nicht unbedingt besser. Meine Oma sagt immer: Die anderen kochen auch nur mit Wasser! Generell ist der Leistungsanspruch vielerorts hoch und die Arbeit herausfordernd. Ich glaub´, höchstens beim Amt ist noch viel Luft nach oben und die Arbeit ist entspannt. 😂

PKA wird Tagesmutter

Dass Menschen die Branche wechseln, habe ich bei einer Tagesmutter erlebt. Wir hatten damals nach einem geeigneten Betreuungsplatz für unser Kind gesucht, da stellte sich im Gespräch heraus, das die Tagesmutter zuvor viele Jahre als PKA in einer öffentlichen Apotheke gearbeitet hat. Irgendwann wurde es ihr zu anstrengend, berichtete sie. Familie und Beruf konnte sie durch die langen Öffnungszeiten nicht mehr wie gewünscht vereinbaren. Bei ihrer Recherche sei sie dann auf den Beruf der Tagesmutter gestoßen. Sie hat es gewagt und sich qualifizieren lassen. Heute ist sie als Tagespflegeperson selbstständig und hat eine Großtagespflege, in der neun Kinder betreut werden.

Tagesmutter wäre gerne Apothekerin

Als ich einer anderen Tagesmutter sagte, dass ich in der Apotheke arbeite, entgegnete sie „Ach, ich wollte immer Apothekerin werden!“. Wenn sie wüsste, mit welchen Herausforderungen wir tagtäglich zu tun haben … Ich wollte aber nicht ins Detail gehen, schließlich sollte es doch um die Kinderbetreuung gehen. Aber ich fand es trotzdem sehr interessant, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte mir niemand gesagt, dass Apothekerin der Traumberuf ist. Meistens hört man in diesem Zusammenhang dann doch eher andere Berufe.

Apothekerin beneidet Handwerker

Eine andere Kollegin sagte mir, dass sie in ihrem nächsten Leben einen anderen Job machen würde: „Für das Honorar in der Apotheke, vor allem beim Notdienst, würde ein Handwerker nicht rausfahren“. Wir hören es doch ständig, 2,50 Euro für de Apothekennotdienst ist immer viel zu viel. Aber wenn man den Hausschlüssel zu Hause vergisst und nicht mehr reinkommt, zahlen die Leute gerne mal 100,00 Euro und mehr. Warum ist die eigene Gesundheit nicht so viel Wert? Darüber lässt sich, glaube ich, lange diskutieren ...

Sind Handwerker das Vorbild?

Handwerker genießen einen guten Ruf, wie ich finde. Eine Zeit war es eher „in“ zu studieren, aber das Land braucht ja auch handwerklich tätige Menschen. Allerdings gibt es auch in dieser Branche einen Fachkräftemangel. Lehrstellen sind jahrelang unbesetzt, Studien zufolge gibt es eine Viertel Millionen offene Stellen. Auch hier lässt sich sagen, dass sich die Nachwuchsgewinnung schwierig darstellt. Andere Laufbahnen wirken, insbesondere für junge Menschen, verlockender. Darüber hinaus wird das Handwerk häufig mit schlechten Arbeitsbedingungen verbunden, sagen Experten.

Auch Lehrer sind unzufrieden

Von befreundeten Lehrerinnen weiß ich, dass die Situation an den Schulen ebenfalls zu einer großen Unzufriedenheit führt. Neben dem anhaltenden Personalmangel, zählen unter anderem auch eine hohe Arbeitsbelastung, mangelnde Wertschätzung, schwierige Schüler oder auch fehlende Unterstützung seitens der Schulleitung zu den Gründen. Das Ganze ist nicht zu unterschätzen, meine Freundin hat das leider sehr mitgenommen, sodass sie wegen der psychischen Belastung stationär aufgenommen werden musste und ein halbes Jahr nicht arbeiten konnte.

Die Liste an den Berufen lässt sich sicher noch fortführen. Was mir aufgefallen ist in diesem Zusammenhang: Früher hatte man einen Beruf gelernt und übte diesen dann in der Regel bis zur Rente aus. Der Beruf war nicht selten ein Anhängsel beim Namen und auch im Telefonspeicher hat man die Person dann so wiedergefunden. Heutzutage ist das nicht mehr so. Nicht nur der Arbeitsplatz wird häufiger gewechselt, sondern auch die Branche und der Job.

Woher kommt diese Unzufriedenheit?

Laut Duden bedeutet „zufrieden sein“ sich mit dem Gegebenen, den gegebenen Umständen, Verhältnissen in Einklang befindend und daher innerlich ausgeglichen und keine Veränderung der Umstände wünschend. Wenn wir uns aber unausgeglichen fühlen, die Lebensumstände ständig hinterfragen und uns nach Veränderung sehnen, sind wir unzufrieden.

Zu den Gründen der Unzufriedenheit gehören fehlende Geduld, zu hohe Erwartungen, übertriebener Perfektionismus, häufige Vergleiche mit anderen oder ein geringes Selbstwertgefühl. Aber auch, wenn wir ein Lebensmodell leben, dass nicht zu unseren Umständen passt, kann uns unzufrieden machen. Prinzipiell liegen die Ursachen für die ständige Unzufriedenheit, so Psycholog:innen, in uns selbst, also unseren Einstellungen. Es fällt uns leichter, Defizite zu erkennen als Erfolge.

Gesellschaftlicher Kollaps programmiert?

Wenn keiner mehr seinen Job machen will, frage ich mich wohin das kurz- und langfristig führen soll. Und dies soll kein Vorwurf an Menschen sein, die nach Veränderung streben und kündigen, sogar den Beruf komplett aufgeben. Liegt es nicht viel mehr an den vorhandenen Strukturen und Systemen? Wohin soll das Ganze führen? Wir brauchen doch eine Vielfalt an Berufen zum Erhalt der Wirtschaft und Menschen, die mit Freude diesen Job ausüben und hinter ihrem Beruf stehen.

Glaubst du, dass wir künftig gar nicht mehr ein Leben lang den einen Beruf ausüben werden, sondern häufiger die Branche und den Job wechseln?