Plan B wegen Lieferengpass: Arnica-Globuli statt Antibiotikum

Wieder einmal kann eine Verordnung über ein Antibiotikum nicht beliefert werden. Da Menschen unversorgt bleiben, macht das Arbeiten keinen Spaß mehr, schreibt die Apothekenspitzel:in in ihrer Kolumne.

Der Nachmittag war so stressig, ich war nur am Hin- und Herlaufen. Ich hatte mehrere Stunden lang keine freie Minute für ein Schluck Wasser. Mein Hals war ausgetrocknet. Doch dann sagte ich mir innerlich „Stop!“. Du musst nun auch mal auf deine Gesundheit achten – ich habe mir dann die Zeit genommen und etwas getrunken. Dann muss der Kunde halt mal etwas warten, ich bin auch nur ein Mensch!

Es gab wieder viel zu tun, innerhalb kurzer Zeit hat sich ein Aufgabenberg mit Kassenbons und Rezepten gebildet. Hier schnell noch etwas zum Sonderkennzeichen vermerken, da den Artikel austauschen, da die Tablette nicht teilbar war. Und dann noch ein Problem mit dem Kommissionierer. Aaaaaaa, ich brauch’ Urlaub! Das i-Tüpfelchen war dann die Homöopathie-Vertreterin einer Pharmafirma. Ich solle doch bitte nicht sagen, dass Homöopathie unwissenschaftlich sei. Es gebe doch über 200 Studien, die ich öffentlich einsehen könnte (!). Das war übrigens die Antwort auf meine Frage, ob sie denn etwas Gebündeltes bezüglich der Studien zu Verfügung stellen könnte. Ja klar, ich suche jetzt 200 Studien zu homöopathischen Arzneimitteln raus …

Zucker ist immerhin (noch) lieferbar

Eins muss man ja in Zeiten von Lieferengpässen sagen: Die Zuckerkügelchen sind fast immer verfügbar, im Gegensatz zu richtigen Arzneien. Was waren das wohl früher für wunderbare Zeiten, als man einfach zur Schublade gehen und das gewünschte Arzneimittel rausnehmen konnte. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte das erleben. Allein der Gedanke, dass es keine Rabattverträge und Lieferengpässe gibt, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Meine Augen funkeln. Ach, wie schön!

Doch zurück zur Realität. Eine Kundin kam mit einem E-Rezept in die Apotheke. Der Zahnarzt hatte Clindamycin verordnet. Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass die Dame eine Penicillin-Allergie hat. Nach dem ich den QR-Code des E-Rezept eingescannt habe, kam die lange Liste der Clindamycin-Präparate. Doch ich sah nur Defekt-Zeichen. Kein einziges war lieferbar. Ich finde es so unbefriedigend, wenn ich der Person vor mir nicht weiterhelfen kann. Es ist kurz vor 18.00 Uhr. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einer anderen Apotheke noch eine Packung erwischt? Ich vermute gering.

Die Enttäuschung des Lieferengpasses sah man in ihren Augen, aber wenn der Händler nicht liefert, kann ich auch nichts abgeben. Vor ein paar Jahren habe ich noch für die Kund:innen in der nächstgelegenen Apotheke angerufen und nachgefragt, ob sie XY dahaben. Heute ist gar keine Zeit mehr dafür und verdienen tun wir ja auch nichts dran. Also habe ich ihr drei Apotheken-Telefonnummern rausgesucht, die sie doch bitte anrufen mag, um nachzufragen, ob sie noch etwas an Lager haben.

Globuli als „Alternative“

Ein Antibiotikum lässt sich durch nichts ersetzen. Aber die Kundin wollte eben auch mit der Therapie beginnen und nicht lange warten. „Wenn es das Antibiotikum nicht gibt, nehme ich erstmal Arnica C200“, sagte die Frau dann. „Irgendwas muss ich ja machen.“ Die gewünschten Globuli hatten wir da, ich konnte sie sofort versorgen. Doch viel lieber hätte ich ihr die Clindamycin-Tabletten gegeben.

Wann wird sich die Situation mit der Medikamentenknappheit endlich verbessern?