Ach so läuft das...

Die Apothekenspitzelin hat sich mal angeschaut, wie (Gesundheits-)Politik im Bundestag gemacht wird. Und ein Beispiel gefunden, wie es besser nicht laufen sollte. Aber sie lernt daraus.

Weiß eigentlich jemand, wie Politik funktioniert? Sagen wir: im Bundestag? Viele von uns hängen ja der Vorstellung an, dass die Abgeordneten in den Bundestag kommen, und ab und an ans Rednerpult treten, um ihren Debattenbeitrag zu leisten. Hinten links die Regierungsbank, deren Bewohner meist auf dem Smartphone herumtippen oder Akten wälzen, vorne ein mehr oder minder besuchtes Plenum, das sich zu guten Teilen ebenfalls dem Handy widmet. Ab und zu gibt es Zwischenrufe. Manchmal greift die Bundestagspräsidentin oder der Sitzungsleiter ein. Dann der nächste Tagesordnungspunkt. Irgendwann ist Ende der Debatte. Das ungefähr ist es, was wir von der Politik im Parlament mitbekommen.

Abgeordnete stellen Fragen…

Das ist aber nur ein kleiner Teil der Parlamentsarbeit. Ich habe mich schlau gemacht, so aus Staatsbürger-Interesse. Und gelernt, dass Vieles in Ausschüssen läuft, und Abgeordnete der Regierung auch Fragen stellen dürfen. Die Antwort soll innerhalb einer Woche erfolgen, so lautet die Regel. Verantwortet wird sie von einem der vielen Staatssekretäre (oder der -sekretärinnen) aus dem Ministerium, das fachlich für die Frage zuständig ist, also etwa aus dem Gesundheitsministerium oder dem der Wirtschaft. Die Antwort wird nicht mündlich überbracht, sondern als Bundestags-Drucksache und – zusammen mit ganz vielen anderen – veröffentlicht. Man kann das nachlesen, so man will.

((Ja, ja – klingt dröge. Ist aber erhellend, wie ich finde…. Und ja, versprochen: Nächste Woche kümmere ich mich wieder um was Lebensnahes!))

Jetzt aber zu meinem Punkt in punkto Politik. Ich habe also, neugierig, ob auch unsere Sorgen und Nöte behandelt werden, die in den vergangenen Wochen an die Regierung gerichteten Fragen in Sachen Gesundheitspolitik durchforstet (fragt jetzt nicht, wann und wo ich das gemacht habe…). Und siehe, die Abgeordnete Emmi Zeulner von der CDU/CSU-Fraktion, die im Zivilberuf Gesundheits- und Krankenpflegerin ist, hatte vor ein paar Wochen begehrt, eine Antwort auf folgende Frage zu erhalten:  

„Auf welcher Berechnungsgrundlage wurde der Lieferengpasszuschlag von netto 50 Cent ermittelt, der mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in § 3 Absatz 1a der Arzneimittelpreisverordnung festgelegt wurde, und inwieweit wird dabei der erhebliche Zeitaufwand für die Apothekerinnen und Apotheker und das Fachpersonal in den Apotheken abgebildet, der mit der Bearbeitung von Lieferengpässen verbunden ist?“

Hey, da geht´s um uns! Da wollte eine Abgeordnete wissen, wie die Regierung darauf kommt, dass genau 50 Cent total angemessen sind. Da nimmt also jemand die Sorgen der Apotheken ernst.

…und die Regierung antwortet

Wer jetzt erwartet hat, dass die Antwort – wie gefordert bzw. gewünscht – die Berechnungsgrundlage offenlegt oder Überlegungen zum Zeitaufwand mitteilt, der für das Management von Lieferengpässen erforderlich ist, der ääähhhh – ja, der träumt

Denn die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Edgar Franke vom 23. Januar 2024 lautet:

„Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfung- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBWG) (Bundestagsdrucksache 20/6871) stellt die Apothekenvergütung nach § 3 Absatz 1 der Arzneimittelpreisverordnung eine Mischkalkulation dar, in der grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten und Aufwände der Apotheken, die mit der Abgabe von Arzneimitteln verbunden sind, berücksichtigt werden. Hierzu gehört grundsätzlich auch der Umgang mit Lieferengpässen von verschriebenen Arzneimitteln. Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Arzneimittellieferengpässen kommen zu den bereits bestehenden Aufwänden weitere hinzu, die bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Der mit dem ALBWG neu eingeführte Zuschlag in Höhe von 50 Cent soll der zusätzliche Aufwand der Apotheken honoriert werden, der sich insbesondere in Rücksprachen mit den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten oder in Nachfragen beim pharmazeutischen Großhandel niederschlägt.“

Das ist sehr fein formuliert und stimmt sogar. Von einer Erläuterung im Sinne der Frage enthält die Antwort aber nicht mal Spurenelemente. Die Regierung teilt der Abgeordneten Zeulner so viel mit wie: „Schön, dass du dich um die Apotheken sorgst, aber deren Kosten durch das zunehmende Lieferengpassmanagement sind mit der bisherigen Apothekenvergütung abgedeckt, gnädiger Weise spendieren wir noch einmal 50 Cent. Das muss reichen. Frag nicht weiter!“

Nun hat die Abgeordnete Zeulner aber dennoch eine weitere Frage gestellt, nämlich diese hier:

„Wann zuletzt und mit welchem Ergebnis wurde eine Überprüfung des Festzuschlags im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung durch die Bundesregierung durchgeführt?“

Die Antwort fällt deutlich länger aus, so dass sie hier nicht gänzlich zitiert werden kann. Sie stellt im ersten Teil allerdings fest, dass es neben den in § 3 geregelten Vergütungen weitere gibt, zum Beispiel „Sonderumsätze im Kontext der Corona-Pandemie sowie das Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen, apothekenpflichtigen Arzneimitteln“. Eine isolierte Betrachtung des Festzuschlags sei aus Sicht der Bundesregierung daher wenig aussagekräftig, heißt es in der Antwort, die dann feststellt, dass die Preiszuschläge letztmals 2017 im Rahmen einer Studie überprüft worden seien. Die beauftragten Gutachter - Achtung! Jetzt kommt´s - „hatten für einige Preiszuschläge ermittelt, dass diese angehoben werden müssten, für andere Preiszuschläge – darunter der Festzuschlag gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 AMPreisV – ergab sich ein Absenkungserfordernis. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden nicht umgesetzt.“

Seid froh, dass wir euch nicht noch viel schlechter behandeln!

Auch schön, denn übersetzt heißt die Antwort: „Unsere Gutachter haben empfohlen, euch den Festzuschlag zusammenzustreichen. Seid froh, dass wir dem nicht gefolgt sind. Was wollt ihr also…?“

Wozu AMIRA das Geschichtchen erzählt? Einfach, um zu zeigen, wie die Politik sich unserer Probleme annimmt, wie hemdsärmelig, arrogant und abweisend Fragen der Opposition lediglich pro Forma beantwortet werden, ohne auf Sinn und Inhalt der Frage einzugehen. Ich finde es total ärgerlich, dass in Ministerien Hundertschaften von Beamten an Antworten feilen, die dem Problem ausweichen und um den heißen Brei herumtänzeln. Zumal diese Leute ja auch bezahlt werden wollen, und zwar nicht zu knapp. Wem ist damit gedient?

„Schön, aber was hat das mit mir zu tun?“, fragst du dich sicher schon die ganze Zeit, richtig?

Ganz einfach: Du – ob Apotheker:in, PTA oder PKA, arbeitest in der öffentlichen Apotheke und bekommst hautnah mit, wie die Anforderungen immer höher werden, sei es wegen des Personalmangels, der Medikamentenknappheit, des Ärgers mit dem E-Rezept, vor allem aber wegen des finanziellen Ausblutens der Apotheken in Deutschland. Unsere Verbände weisen immer wieder darauf hin, dass der Festzuschlag nicht mehr zum Leben reicht, in dieser Woche mahnte das noch einmal Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA, an. Und genau wie wir alle denkst du dir: Die Sache ist doch glasklar, es muss gehandelt werden. Tja, leider aber zeigt die Bundesregierung, wie man an den Antworten auf die Fragen der Frau Zeulner sieht, dass sie gar keinen Handlungsbedarf erkennt.

Woran das liegt? Ich weiß es nicht. Vielleicht meint die Bundesregierung, dass die inhabergeführte Apotheke eher ein Auslaufmodell ist, das gegen Medikamentenautomatenabgabezentren oder Medikamentenmegazentralverteilstellen oder Internetpillenversanddienstleister eingetauscht werden sollte (wahrscheinlich gar kein Problem, wenn das E-Rezept erst richtig funktioniert). Möglicherweise haben bestimmte Kräfte in der Koalition auch einfach etwas gegen Freie Berufe, trotz der FDP, die da mitmischt. Ich könnte auch auf den Gedanken kommen, dass man auch gegen das Unternehmertum insgesamt was einzuwenden hat, weil: Das ist ja böser Kapitalismus.

Ich weiß es nicht, wie könnte ich einfache Apothekenspitzelin auch klüger sein, als die Politiker. In zwischen traue ich mich aber zu sagen: „Ach so läuft das bei euch in der Politik!“

Und ich weiß nicht, ob das gut ist…

AMRIA fragt: Glaubst du, dass die Apotheke ein Auslaufmodell ist, das in spätestens zehn bis fünfzehn Jahren durch eine ganz andere Form der Medikamentenversorgung abgelöst sein wird? Und meinst du, dass das vielleicht sogar das Ziel der Politik ist?